New Romance isn’t Dead: Spandau Ballet

spandauLetzten Freitag, also am 17.04.2015, gaben Spandau Ballet ein Konzert im CCH.
Die häufigste Frage, die mir im Vorfeld gestellt wurde, wenn ich jemandem (also allen, die ich kenne) erzählte, dass ich mir Karten geholt hab, war; Kennt man die?
Schon mal „Gold“, „True“ oder „Only When You Leave“ im Radio gehört? Die sind von Spandau Ballet.

Spandau Ballet gibt es schon eine Weile. Wie die meistens meiner Lieblingsbands waren sie in den 80ern richtig groß. Und ich meine damit wirklich richtig, richtig, groß. Ihre größten Hits halten sich seit über 30 Jahren erfolgreich in der Heavy Rotation, das können nicht viele Bands von sich behaupten. Höchstens vielleicht noch Toto. Oder Queen. Oder Chicago… die Eagles… Und Supertramp. Jedenfalls – ihr merkt schon – passen sie ganz gut zu mir.

Die Musikrichtung (so habe ich mir von meinem Lieblingsmann erklären lassen, der Spandau Ballet ebenfalls sehr gut findet und sie im Gegensatz zu mir in den 80ern sogar erlebt hat) nennt sich „New Romantic“ und die britische Band waren damals die Speerspitze und maßgebend und stilprägend für die Mode- und Jugendkultur der Zeit. Kein Scherz!

Die Jungs sehen heutzutags aber nicht nur besser (viel besser!) aus, sondern spielen auch verdammt, verdammt gute Musik.
Und das hier.
In Hamburg!
Und ich war dabei!
Und es war großartig!

Erst hab ich aber ein Hühnchen zu rupfen mit den deutschen Spandau Ballet-Fans.
Das Konzert fand in Saal 1 des Congress Center Hamburgs statt. Der Saal verfügt über 3.000 Sitzplätze, die an dem Abend komplett ausverkauft waren. Ich habe die Tickets im Januar geholt und die letzten zwei aneinanderliegenden Sitzplätze der drei besseren Kategorien gekriegt. Das ist natürlich super und hat mich sehr gefreut. Also die Tatsache, dass es ausverkauft sein wird. Tatsächlich war das mein erstes Sitzkonzert in Deutschland. In der Schweiz waren z.B. die Eagles im Hallenstadion oder Chicago und Roger Hodgson im Zürcher Congresshaus voll bestuhlt gewesen. Klingt eklig, ist aber so.

Jedenfalls, egal, bei welcher Band (außer bei den Eagles, wo das Durchschnittsalter tatsächlich bei >60 Jahren lag), ab dem zweiten oder dritten Song (oder ab dem ersten, wenn es ein richtiger Hit war) verbrachte man das Konzert trotzdem stehend und mitklatschend und mindestens mitwippend bis mittanzend.

Ich habe schon oft gelesen, dass Deutsche Konzertgänger etwas verhaltener sind, als die eigentlich als noch verhaltener geltenden Schweizer und hab das bisher auch fast ausschliesslich so erlebt. Vielleicht, weil man in der Schweiz für Konzerttickets in der Regel sehr viel mehr hinlegen muss, als 70 EUR pro Ticket (wie bei Spandau Ballet) und man deshalb jeweils das Beste aus dem Erlebnis rausholen will. Vielleicht auch aus einer halben Million anderen Gründen, ich weiß es nicht, ich schildere hier nur meinen Eindruck.

Zurück zu meinem Hühnchen: Ich war zu Tränen gerührt und stolz, dass schon beim dritten Song („Only When You Leave“) die Leute von ihren Sitzen sprangen und mittanzten. Ich konnte mich schon bei „Soul Boy“ (einer von den drei neuen Songs, die ich die letzten Monate auf Spotify hoch und runter hörte) und „Highly Strung“ kaum ruhig halten. Spandau Ballet besteht BTW nur aus entweder fantastischer Tanz-Musik oder wunderschönen Balladen.
Viele Konzertbesucher stürmten nach vorn und alle standen auf und klatschten und tanzten, es war ein Fest und ich war wirklich gerührt (Konzerte sind bei mir immer etwas hochemotionales, ich weine eigentlich immer sehr viel, aber stets aus anderen Gründen). Nach dem Song jedoch, als die ersten Klänge von „How Many Lies“ durch den akustisch perfekt abgemischten Saal schallten, geschah das Unglaubliche:
Die Leute setzten sich wieder hin.
Die Leute… setzten sich einfach wieder hin.
Ich stand da plötzlich alleine und alle um mich herum saßen wieder auf ihren Plätzen. Verwirrt nahm ich – mitten im Song mittlerweile – auch wieder Platz.

Dass Tony Headley in dem Moment nicht sein Mikrofon fallen lassen, Gary Kemp an der Schulter gepackt und die Bühne verlassen hat, rechne ich ihm hoch an. Trotzdem war es mir in dem Moment extrem peinlich, dem Publikum anzugehören, das sich nach dem ersten Hit einfach wieder hinsetzt. Aber vielleicht ist das in Deutschland ja normal, ich weiß es nicht. Was meint ihr?

Also mit „Soul Boy“ ging es wie gesagt los. Das ist einer der drei neuen Songs, die letztes Jahr auf dem von von niemand geringerem als Trevor Horn produzierten Greatest-Hits-Album  [ The Very Best of Spandau Ballet: The Story ] erschienen. Dann folgten – wie ebenfalls schon gesagt – das Großartige „Highly Strung“ und das noch großartigere „Only When You Leave“. Nach „How Many Lies“ kamen „Round and Round“ und „This is the Love“. Letzterer ist ebenfalls einer von den drei Neulingen und an dieser Stelle erzählte Tony Hadley auch vom Greatest Hits-Album und den drei neuen Songs. Ein ganzes neues Spandau Ballet-Album wird es nicht geben, die Begründung dafür nannte Tony Hadley [ in diesem Interview charmant ] gegenüber einem Spiegel-Redakteur: „Was sollte das auch bringen? Seien wir ehrlich, zwölf neue Spandau-Ballet-Songs hätten es schwer in diesem Jahrtausend. Das Entsetzen im Publikum wäre doch riesig, wenn wir bei einem Konzert einen Satz neuer Songs ankündigen würden. Nein danke.“ – Als daraufhin aber „Steal“ folgte, konnte ich nicht sitzenbleiben und verbrachte mehr oder weniger den Rest des Konzert stehend, singend, tanzend.
Sorry, not sorry, komische sitzende Leute hinter mir!

„Chant No 1 (I Don’t Need This Pressure On)“ ist nämlich ein weiterer fantastischer Tanzsong und die Band war so unglaublich toll und dynamisch und hat perfekt gespielt – DAZU MUSS MAN EINFACH TANZEN, DEAL WITH IT!
Das Intro von „Age of Blows“, „Reformation“, „Mandolin“, „Confused“ und „The Freeze“ (noch eins meiner Lieblingslieder) wurden geschickt in ein Medley verpackt und mit „To Cut A Long Story Short“ (<3) und „Raw“ die erste Hälfte des Konzerts abgeschlossen.

Dann wurde es instrumental: Nur mit Gitarre und Stimme – Tony Hadley sang Live (auch kein Halb-Playback) und „flawless“! (es gibt kein Wort, das besser passt) – wurden „Glow“ vorgetragen, „Empty Spaces“ und dann plötzlich ganz sanft und süüferli die erste Strophe plus Refrain von „Gold“.

Bei „Once More“ waren dann wieder alle Musikanten dabei. Der Gong ist euch auf den Bildern bestimmt schon aufgefallen? Das war als das Licht anging und die Band loslegte das Erste, was man hörte. Ich finde, mehr Bands brauchen Gongs. Und mehr Bands brauchen jemanden wie Steve Norman. Norman spielte die Trommeln, das Saxophon, die Klarinette und die Rhythmusgitarre. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch die restlichen Rollen in der Band mühelos hätte übernehmen könnte…

Ich hatte vor dem Konzert meiner Konzertbegleitung erzählt, wie sehr ich mir wünschte, sie würden „Once More“ spielen. Das ist eines der wenigen Lieder, die ich seit frühester Kindheit in Endlosschlaufe hören kann und niemals schlecht finden oder satt haben werde. Im Gegensatz zu meinen armen Eltern, die sich die entsprechenden Lieder dadurch auch immer viel zu oft und viel zu laut mitanhören mussten. Mit „I’ll Fly For You“, „Instinction“ und „Communication“ reihten sich gleich drei weitere meiner liebsten SB-Lieder aneinander, bevor mit den beiden (meinem Geschmack nach am allermeisten „meeh“ aller Spandau-)Songs „Lifeline“ und „True“ das Konzert abgeschlossen wurde.

Bisher war der unangefochtene Meister der Encore-Prophezeier mein Vater, aber mein Lieblingsmensch und Konzertbegleiter drehte sich während der (absolut verdienten!) Standing-Ovations (ich nenn es so, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass die meisten Leute in unserem Block während des Konzerts saßen) zu mir um und sagte „Fight For Ourselves“, „Gold“ und „Through The Barricades“ spielen sie noch. Ich meinte zu ihm, „Gold“ hätten sie doch bereits gespielt. „Aber nur ein bisschen, das spielen sie noch ganz.“ Ich dachte ja, vielleicht ist „Gold“ Spandau Ballets „Africa“, das die Band nicht wirklich mag oder dessen Erfolg versteht, aber als Crowdpleaser immer Mal in irgendeiner Form wiedergibt. Ich war jedenfalls mit dem Konzert zufrieden, all meine Lieblingslieder waren gespielt worden. „Through The Barricades“ wäre aber auf jeden Fall sehr nett.

Und genau so nett ging das Encore auch los. Auf „Through The Barricades“ folgte „Fight For Ourselves“, das mir bisher nie wirklich gut gefallen hat, Live aber der absolute Knaller war (und jetzt in meiner heaviest of Heavy Rotations läuft) und natürlich wurde das absolut perfekte Konzert absolut perfekt beendet nach den bewegenden Worten „Thank you for coming home…

Die komplette Setlist des Konzerts, habe ich auf [ SPOTIFY ] zusammengestellt, für die, die es interessiert.
Also für mich.
Mich interessiert’s.